Design Thinking – Hype oder Wundermittel?

10/10/2019

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Design Thinking – was ist dran an dem Trend? Die Fähigkeit, Innovationen zu entwickeln, ist ein zentraler Erfolgsfaktor, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Entscheidend ist es dabei, Erfindungen und Produktideen mit Markterfolg umzusetzen. Für den Erfolg einer Innovation ist das Zusammenspiel aus.

  • technischer Realisierung (feasibility)
  • Geschäftsmodell (viability) und
  • Kundenwert (desirability)

erforderlich. Etablierte Unternehmen stehen vor der Herausforderung, in diesem Spannungsfeld, parallel zum Tagesgeschäft und unter Berücksichtigung sich ständig ändernder Rahmenbedingungen, Innovationen zu entwickeln.

Doch wie setzt man in diesem Spannungsfeld Ressourcen am besten ein? Was ist das richtige Vorgehen, um vielversprechende Ideen und Inventionen zu erarbeiten? Und wie kann die Umsetzung entwickelter Ideen bis zur Marktreife sichergestellt werden?

Ein Ansatz, der seit den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erfährt, ist das Design Thinking (DT). Der an der d.school der Stanford University entwickelte Ansatz nutzt Prozesse und Methoden aus dem Design und anderen Fakultäten (z. B. Psychologie, Betriebswirtschaft), um in interdisziplinären Teams Konzepte zur Lösung von vielfältigen Problemstellungen zu entwickeln. Im Fokus stehen hier „wicked problems“, also vertrackte Probleme, deren Problemraum noch nicht hinreichend bekannt ist und für die noch keine „Standardlösung“ vorliegt. Für die Entwicklung von Innovationen, die über inkrementelle Innovationen hinausgehen, sind genau solche vertrackten Probleme zu identifizieren und zu lösen. Eine Vielzahl von Unternehmen (z. B. Bosch, Siemens, SAP, Innogy) binden deswegen Design Thinking in ihren Innovationsprozess ein. Unterteilt man den Innovationsprozess in die vier Phasen „Innovationsstrategie“, „Ideenfindung“, „Entwicklung“ und „Markteinführung“, findet sich Design Thinking vor allem in den ersten beiden Phasen wieder.

Design Thinking Einsatzfokus
Abbildung 1: Einsatzfokus Design Thinking in den ersten beiden Phasen des Innovationsprozesses bei der Strategie- und
Ideenentwicklung (in Anlehnung an Herstatt/Verworn).

Design Thinking ist dabei nicht als allmächtiges Wundermittel für Innovation zu betrachten, sondern sollte mit weiteren Methoden und Ansätzen kombiniert werden, um das volle Potenzial zu entfalten. Dieser Artikel geht darauf ein, was Design Thinking ausmacht, wo es wirkt, wo die Wirkung versagt und wie man es für das eigene Unternehmen nutzen kann.

Definition Design Thinking – was macht den Ansatz aus?

In der Literatur wird Design Thinking als eine agile Methode zur nutzerzentrierten Ideenentwicklung definiert. Ein interdisziplinäres Team durchläuft einen iterativen Prozess, um ein Kundenproblem zu erforschen und zu lösen. Der aus 5 Schritten bestehende Prozess teilt sich in die folgenden Schritte auf:

  • Bedürfnissuche
  • Problemdefinition
  • Ideenfindung
  • Prototyping und
  • Testing

Der Design-Thinking-Prozess ist durch einen Methodenbaukasten zur Bedürfnisanalyse und Ideenfindung unterfüttert.

Design Thinking Prozess
Abbildung 2: Der Design-Thinking-Prozess als iterativer Prozess mit 5 Schritten zur Exploration des „Problem- und Lösungsraums“
(in Anlehnung an HPI d.school Potsdam).

Als Ansatz bietet Design Thinking Innovationsteams einen flexiblen Rahmen, um zu definierten Innovations-/Problemfeldern Wissen aufzubauen und kreative Lösungen zu entwickeln. Im Rahmen des Problemraums werden die Nutzerbedürfnisse und das Ökosystem der Nutzung erforscht. Parallel werden im Lösungsraum Produkt- und Serviceideen entwickelt und getestet. In Abhängigkeit von der Anzahl der Iterationen und von der angestrebten Reife der Ergebnisse kann sich ein Design-Thinking-Projekt zwischen 2 bis zu 8 Wochen erstrecken. Wobei das DT-Team, welches in der Regel aus 4–6 Mitgliedern besteht, nicht zwangsläufig Vollzeit an dem Projekt arbeiten muss. Design Thinking kann auch in längeren Projekten (> 8 Wochen) eingesetzt werden, hierbei wird es jedoch in der Regel in ein Projekt mit ergänzenden Aktivitäten eingebettet. Neben dem DT-Prozess baut der Ansatz aus unserer Sicht auf drei Kernelementen auf, welche im Folgenden näher beschrieben werden:

  • Inspiration durch reale Nutzer: „Was sind die Begeisterungsfaktoren und echten Probleme meiner Kunden und Nutzer?“
  • Lernen durch schnelles Scheitern: „Wie kann ich schnelles Scheitern nutzen, um aus Fehlern zu lernen?“
  • Fokus auf kreative Teamarbeit: „Wie kann ich als Team am besten zusammenarbeiten, um das Problem kreativ und effektiv zu lösen?“

Inspiration durch reale Nutzer

Die Notwendigkeit der Einbindung der Nutzer wird häufig als Erfolgsfaktor für die Entwicklung erfolgreicher Innovationen aufgeführt. Doch einmal Hand aufs Herz, wie viele der Entwicklungsprojekte in Ihrem Unternehmen beziehen wirklich den Nutzer und seine latenten Bedürfnisse ein? Welches Innovationsprojekt geht über die Aufnahme von Leistungsanforderungen in einem Interview und die Assoziation „Wenn ich Kunde wäre, dann wäre dieses Feature das meiner Wahl“ hinaus?

Im Design Thinking dienen Nutzerbedürfnisse als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle, um die Begeisterungsfaktoren der nächsten Produktgeneration zu identifizieren und ein ganzheitliches Verständnis der User Experience aufzubauen. Hierfür kommen v. a. zwei Prinzipien zum Einsatz:

  • Bedürfnisausrichtung ab Tag 1
  • Systematische und kontinuierliche Einbeziehung von Nutzern und Extremnutzern

Im Design Thinking treiben Bedürfnisse von Tag 1 die Ausrichtung des Innovationsprojektes. Nach einer kurzen Synchronisation auf das vor dem Start definierte Innovations-/Problemfeld geht das Team unmittelbar auf Wissensträger außerhalb des Teams zu. Die Auswahl der Interviewpartner ist im ersten Schritt zunächst zweitrangig. Zum Beispiel können initial auch nicht am DT-Projekt beteiligte Kollegen oder Experten als Inputgeber dienen. Ziel ist es, das Team von Beginn an auf einen bedürfnisfokussierten Modus einzustimmen. Zusätzlich dienen die externen Perspektiven dazu, erste Hypothesen zu Bedürfnissen abzuleiten. Am ersten Tag werden zu diesen Ideen entwickelt und in einem ersten Prototyp umgesetzt. 

„[…] unsere Entwickler sind darauf fokussiert, wie die Technologie funktioniert und installiert wird. Mit Hilfe von Design Thinking haben sie verstanden, wie die Kunden mit der Technologie interagieren.“
(Senior Innovation Expert, OEM Gebäudeinfrastruktur, über das Potenzial, wenn Ingenieure mit Nutzern interagieren).  

Im zweiten Schritt werden systematisch durch Brainstorming- und Analogie-Methoden Nutzer und Extremnutzer identifiziert. Unter Extremnutzer versteht man Nutzer, die extreme Anforderungen an ein Produkt stellen und sich durch eine sehr niedrige oder eine sehr hohe Affinität zu einem Produkt auszeichnen. Die Ergebnisse werden in einen „Recherche–Plan“ umgesetzt. Die Erkenntnisse und Ideen, die im ersten Schritt gewonnen wurden, dienen als Grundlage für die Vorbereitung der Interviews und Beobachtungen. Die Ergebnisse aus den Interviews werden anschließend strukturiert (z. B. in einer „Empathy Map“), in Problemstatements präzisiert und in weiteren Ideen und Prototypen umgesetzt. Wichtig ist hierbei, dass das gesamte DT-Team bei der Vorbereitung und Durchführung der Interviews sowie bei Beobachtungen und Tests mit den Nutzern mit dabei ist. Durch das iterative und methodische Einbeziehen unterschiedlicher Perspektiven von Nutzern, Extremnutzern und weiteren Stakeholdern wird Wissen aufgebaut und eine Vielzahl von „Inspirationen“ für die Lösungsfindung geschaffen. Abbildung 3 zeigt, welche Nutzer und Stakeholder in welcher Iteration eines Design-Thinking-Projekts einbezogen werden können.

Design Thinking Stakeholder
Abbildung 3: Nutzung unterschiedlicher Stakeholder als Inspirationsquelle in den verschiedenen Iterationsstufen eines
Design-Thinking-Projekts (eigene Abbildung).

Lernen durch schnelles Scheitern

Das zweite Kernelement ist das Lernen durch schnelles Scheitern. Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, wird bereits am ersten Tag eines Design-Thinking-Projekts ein vollständiger Zyklus des DT-Prozesses durchlaufen. Durch konsequentes Timeboxing wird, wie in Abbildung 4 dargestellt, auch in den anschließenden Iterationen der Problem- und der Lösungsraum abwechselnd durchlaufen

Design thinking Double Diamond
Abbildung 4: Das iterative Durchlaufen von Problem- und Lösungsraum, des sogenannten „double diamond“, als
zentrales Motiv für das Lernen durch Scheitern (eigene Abbildung).

Das Prinzip wird z. B. durch die Methode des „simplen Prototypings“, also Prototypen mit einfachen Mitteln (z. B. Lego, Pappe & Tape, Rollenspiele), unterstützt. Teams werden dadurch in die Lage versetzt, schon sehr früh vom Problemraum in den Lösungsraum zu wechseln. Hierdurch wird bewusst „Scheitern“ in Kauf genommen, um schneller wertigere Erkenntnisse und Ideen zu erarbeiten. Durch das Prototyping von Ideen und Konzepten werden die unterschiedlichen Vorstellungen einzelner Teammitglieder sichtbar. Zusätzlich werden mit einem Prototyp die Attraktivität und Umsetzbarkeit einer Idee früh überprüft. Nicht selten klingt ein Konzept anfangs vielversprechend. Durch die einfache und schnelle Umsetzung können jedoch Schwächen transparent gemacht und verbesserte Ideen entwickelt werden.

Auch der nächste Schritt, das „Testing“, dient als Methode, um schnelles Scheitern zu fördern. Die erstellten Prototypen werden genutzt, um aufgestellte Hypothesen und Ideen direkt mit dem Kunden zu validieren. Das Testen mit Nutzern zielt darauf ab, über Lob und Kritik des Nutzers Begeisterungsmerkmale des Produkts zu identifizieren.

Durch Iterationen werden im Design Thinking eine Vielzahl an Ideen und Lösungsfeatures in unterschiedlich detaillierten Prototypen umgesetzt. So können mit vertretbaren Ressourcen in kurzer Zeit mehrere Lernzyklen durchlaufen und so die Qualität der Entwicklung gesteigert und Risiken reduziert werden. Darüber hinaus wird die Akzeptanz bei Stakeholdern gesteigert, wenn diese immer wieder in kurzer Folge verbesserte Prototypen sehen und testen können.

„[…] wenn du etwas vorzeigst, das funktioniert und nicht nur für drei Jahre darüber redest, dann erzeugst du [beim Kunden und in der eigenen Firma] Vertrauen in das, was du tust und brauchst.“,
(Chief IO, Baumaschinenfirma, über den Effekt von Prototyping)

Fokus auf kreative Teamarbeit

Neben der Einbeziehung von realen Nutzern und dem Lernen durch Scheitern gibt es noch eine weitere Zutat, die für den Erfolg der DT-Methode unerlässlich ist und eine seiner größten Stärken ausmacht: der Fokus auf kreative Teamarbeit. Dieses Element wird, wie in Abbildung 5 dargestellt, durch die folgenden drei Bausteine realisiert:

  • Diverses Team
  • Prinzipien zur Kollaboration
  • Unterstützender Raum
Design Thinking Bausteine
Abbildung 5: Die drei Bausteine zur Förderung kreativer Teamarbeit: diverses Team, Prinzipien zur Kollaboration und
unterstützender Raum (eigene Abbildung).

Design Thinking basiert auf dem Verständnis, dass für die Entwicklung innovativer Produkte und Geschäftsmodelle eine große Bandbreite an Wissen, Erfahrung und Kompetenzen benötigt wird. Dies hat zur Folge, dass für ein vollständiges Bild von Beginn an Personen unterschiedlichster Domänen, z. B. Marketing, Software- und Hardware-Entwicklung, Supply- Chain, zusammenarbeiten müssen. Bei der Zusammensetzung von Design Thinking Teams empfiehlt es sich daher, auf eine möglichst ausgeprägte Diversität in Bezug auf Fachexpertise und soziale Kompetenzen zu achten. Um die Zusammenarbeit in solch interdisziplinären Teams zu fördern, setzt Design Thinking auf die Umsetzung diverser Prinzipien zur Kollaboration und auf eine Arbeitsumgebung, welche den Prozess fördert. Ziel ist es, dass die Informationen zwischen den Teammitgliedern optimal fließen und dass diese ihre Fähigkeiten je nach Phase optimal einbringen können. Ein zentrales Prinzip zur Zusammenarbeit ist der Wechsel zwischen den Modi „öffnen“ (z. B. Bedürfnissuche, Ideengenerierung) und „schließen“ (z. B. Problemdefinition, Prototyping). Der Design-Thinking-Prozess fokussiert das Team und stellt sicher, dass alle Teammitglieder sich im gleichen Modus befinden. Hierdurch wird eine produktive Balance zwischen Platz für Kreativität und Experiment sowie Umsetzungsfokus erreicht. 

„Design Thinking hat uns eine gemeinsame Sprache mit Werkzeugen gegeben, sodass wir jetzt sagen können, dass wir im ‚Kreativmodus‘ oder im ‚Fokusmodus‘ sind. Diese Werkzeuge nutzen wir nun im täglichen Geschäft.“
(Mitglied Design Thinking Team, Konsumgüterunternehmen, zur veränderten Teamarbeit durch Design Thinking) 

Dieser Effekt des „Öffnens und Schließens“ wird durch unterschiedliche Methoden gefördert. Ein Beispiel ist der Einsatz von Post-its. Durch die Verwendung von Post-its machen die Teammitglieder ihre Gedanken für alle Teammitglieder transparent. Bei der Auswertung von Nutzerinterviews werden beispielsweise zunächst alle Beobachtungen der Teammitglieder gesammelt (öffnen = viele Post-its). Anschließend werden diese in der Problemdefinition geclustert und die wenigen relevantesten identifiziert (schließen). Diese Taktung unterstützt, dass jedes Teammitglied über den Verlauf des Design-Thinking-Prozesses seine individuellen Stärken ausspielen kann. Bei der Bedürfnissuche ist Empathie gefragt, bei der Problemdefinition analytisches Denken und im Prototyping handwerkliches Geschick. Zusätzlich wird die Teamkollaboration durch die Einrichtung der Arbeitsräume unterstützt. Design-Thinking-Räume zeichnen sich durch große Flächen zur Erarbeitung und Kommunikation von Arbeitsergebnissen, durch flexibles Mobiliar, die Möglichkeit zu simplem Prototyping und Inspirationsquellen aus.

Nutzung Design Thinking – wo es wirkt und wo die Wirkung versagt?

In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Wirkweise von Design Thinking und dessen drei Kernelemente beschrieben. Design Thinking kombiniert aus diesen Eigenschaften einen strukturierten Ansatz, welcher als Prozess, Mindset und Methodenkasten in den Innovationsprozess eines Unternehmens integriert werden kann.

Wie in Abbildung 1 dargestellt, wird Design Thinking vor allem in den ersten zwei Phasen des Innovationsprozesses, der Innovationsstrategie und der Ideenfindung, eingesetzt. Abbildung 6 zeigt auf, wofür Design Thinking in den jeweiligen Phasen eingesetzt werden kann und welche weiteren Aktivitäten notwendig sind, um einen ganzheitlichen Innovationsprozess sicherzustellen.

Design Thinking Einsatzgebiete
Abbildung 6: Die Einsatzgebiete von Design Thinking und ergänzende Aktivitäten entlang des Innovationsprozesses (eigene Abbildung).

Zentrales Ziel der Phase „Innovationsstrategie“ ist es, entlang des Strategieprozesses durch die Konsolidierung von Erkenntnissen aus diversen Initiativen eine konsistente Strategie und ein korrespondierendes Projektportfolio zu entwickeln. Design Thinking kann hier eingesetzt werden, um Wissen und Erkenntnisse zu Nutzerbedürfnissen und dem Ökosystem der Nutzung aufzubauen. Die Methode unterstützt, dass ein multidisziplinäres Team ein Innovations-/ Problemfeld von verschiedenen Perspektiven durchleuchtet und durch die Entwicklung erster Ideen und simpler Prototypen systematisch Nutzerbedürfnisse und Potenzialfelder identifiziert. Komplementär sollten in der Phase der Innovationsstrategie weitere Methoden wie Wettbewerbsanalysen, Technologie- & Trend-Scouting sowie quantitatives Nutzer-Research genutzt werden, um ein ganzheitliches Bild zur Strategieentwicklung zu erzeugen. Ein übergeordneter Strategie- und Portfolioprozess sollte diese Aktivitäten steuern und die Ableitung einer durchgehenden Gesamtstrategie inklusive priorisierter Potenzialfelder sicherstellen. 

Ziel der anschließenden Ideenfindungsphase ist es, zu den im Rahmen der Strategieentwicklung identifizierten Potenzialfeldern alternative Service- und Produktlösungen zu erarbeiten und zu bewerten. Auch in dieser Phase kann Design Thinking eingesetzt werden, um fokussiert Ideen und Produktalternativen zu entwickeln. Die Interaktion mit Nutzern und Stakeholdern, das iterative Vorgehen und die Arbeit in einem interdisziplinären Team fördert eine kreative Ideenfindung und stellt eine Ausrichtung der Ideen am Nutzer sicher. Da der Design-Thinking-Ansatz im Wesentlichen auf den Kundenwert „desirability“ abzielt, sollten in dieser Phase durch Aktivitäten der Geschäftsmodell- und Technologie-Innovation auch die Aspekte der finanziellen und technischen Machbarkeit, der „viability“ und „feasibility“, berücksichtigt werden. Es hängt von der Beschaffenheit des Potenzialfeldes ab, in welcher Ausprägung die Methoden eingesetzt werden („Wie viel Ressourcen verwende ich für welchen Aspekt?“) und wie integriert die jeweiligen Themen abgearbeitet werden („Wie ist der Prozess und die Teamzusammensetzung gestaltet?“). Ein Beispiel für einen solchen integrierten Ansatz ist die Innovation Cell®. Hierbei werden in einem beschleunigten Prozess Ideen gesammelt, entwickelt und anschließend hinsichtlich ihrer „desirability“, „viability“ und „feasibility“ bewertet und in eine Entwicklungsroadmap umgesetzt. Diese kann als Ausgangspunkt für die Demonstratorentwicklung und den Übergang in die nächste Phase genutzt werden.

In den letzten beiden Phasen des Innovationsprozesses werden Ideen mit ausreichendem Potenzial in Produkte umgesetzt und vermarktet. Hierbei kommen Methoden zur agilen Entwicklung eines Minimal Viable Products, d. h. einer ersten Produktgeneration mit realen Nutzern, sowie dem Aufbau einer skalierbaren Organisation zur Leistungserbringung und Vermarktung zum Einsatz. In diesen Phasen wird Design Thinking nicht mehr maßgeblich eingesetzt. Jedoch wirken sich auch hier das kundenzentrierte und iterative Mindset positiv auf die Innovationskultur aus. Einzelne Methoden können zusätzlich punktuell eingesetzt werden (z. B. simples Prototyping).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Design- hinking-Ansatz für Unternehmen einen flexiblen Prozess und Methoden-Baukasten bietet, um zu Innovations- und Problemfeldern Wissen aufzubauen und kreative Lösungsideen zu entwickeln. Durch die Kernelemente „Inspiration durch reale Nutzer“, „Lernen durch schnelles Scheitern“ und „Fokus auf kreative Teamarbeit“ und deren Umsetzung kann Design Thinking vor allem in den frühen Phasen des Innovationsprozesses wertvolle Ergebnisse liefern. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass Design Thinking kein Allheilmittel für Innovation darstellt. Für die Umsetzung eines ganzheitlichen Innovationsprozesses sind zusätzliche Ansätze und Methoden zu berücksichtigen und zu einem durchgängigen Prozess zu integrieren.

Design Thinking in Ihrem Unternehmen

Um die Potenziale von Design Thinking für das eigene Unternehmen zu nutzen, kann die Methode in das eigene Innovationsmanagement integriert werden. Dazu sind die bestehenden Prozesse und Methoden sowie die Zielsetzung der Integration des Design-Thinking-Ansatzes ins Unternehmen zu berücksichtigen. In der Regel werden durch eine Implementierung drei Use Cases verfolgt:

  • Wissensaufbau zu Markt und Problemstellung,
  • Ideenentwicklung zu Potenzialfeldern sowie
  • die Förderung der Innovationskultur.

Wir empfehlen eine Implementierung des Design-Thinking-Ansatzes an konkreten Fragestellungen des Unternehmens auszurichten und diese in zwei Stufen zu planen. Auf Stufe I wird ein exemplarisches Projekt mit einem ausgewählten Team durchgeführt. Hierdurch lernen sowohl das Team als auch die Organisatoren den Design-Thinking-Ansatz und dessen Kernelemente kennen. Nach Durchführung des Projekts kann der Ansatz bewertet und in Stufe II definiert werden, wie der Ansatz in das bestehende Innovationsmanagement des Unternehmens integriert werden soll. Hierdurch wird Design Thinking für weitere Fokusthemen genutzt, an die Prozesse und Methoden im eigenen Unternehmen angepasst und ein ganzheitlicher Innovationsprozess sichergestellt.

Literaturtipps

Design Thinking Literaturtipps
Design Thinking.net
The Explainer: Design Thinking

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Autor

Benedikt Dechamps

Benedikt Dechamps war Manager bei der 3DSE Management Consultants GmbH in München. Aus über 7 Jahren Beratungserfahrung in der Forschung und Entwicklung kennt er die Herausforderungen, Innovationen von der Strategie in realisierte Produkte umzusetzen. Als Experte für agile Innovationsmethoden hat er Kunden der Luftfahrt-, Haushaltsgeräte- und Automobilbranche bei der kreativen Innovationsentwicklung begleitet. Er hat am Hasso Plattner Institut (HPI) den Advanced Track durchlaufen und an der HPI Academy Erfahrungen als Design Thinking Coach gesammelt.

Philip Kloibhofer

Philip Kloibhofer war Manager bei 3DSE Management Consultants GmbH in München. Mit über 8 Jahren Erfahrung in der F&E-Beratung von Technologieunternehmen besitzt er exzellente Branchenkenntnisse u. a. in Automotive, Transportation und Aerospace. Seine Kernkompetenzen sind die ganzheitliche Optimierung der F&E, das Management und die Umsetzung von Innovationen sowie die agile Produktentwicklung. Seine Qualifikationen als Scrum Master, Innovation Cell® GreenBelt und Design Thinking Coach runden sein Profil ab.