Das Innovationslabor „X-Lab“ – ein internes Start-up ebnet MANs Weg in die digitale Zukunft
04/01/2018

Wie schafft man es, als etabliertes Industrieunternehmen radikale Lösungen zu entwickeln, die nicht nur das eigene Geschäftsmodell auf den Kopf stellen, sondern eine gesamte Branche verändern können? Diese Frage hat die MAN Truck & Bus AG (MTB) mit der Gründung eines eigenen Innovationslabors, dem „X-Lab“ beantwortet. Innerhalb der bestehenden Organisation, aber dennoch abseits der eingetretenen Pfade sind im „X-Lab“ Innovationen entstanden, die über das reine Hardwareprodukt weit hinausgehen. Die innovativen Ideen aus dem „X-Lab“ generieren für MTB ein neues Ökosystem digitalisierter Produkte und Services, das latente Bedürfnisse bestehender sowie neuer Kunden erfolgreich adressiert. Der Artikel beschreibt, wie aus dem „X-Lab“ die Marke „RIO“ wurde, welche Herausforderungen bei der Anwendung agiler Arbeitsweisen inmitten eines klassischen Konzerns zu überwinden waren und welche Rolle die 3DSE dabei gespielt hat.
Die Gründung des „X-Lab“ als MANs erster Schritt in Richtung agile und digitale Transformation
Am Schlüsseltrend „Digitalisierung“ kommt auch der Sektor der Nutzfahrzeughersteller und Logistikanbieter nicht vorbei. Big Data, Cloud-Based Solutions, Predictive Analysis, SW-/HW-Co-Design und digitale Ökosysteme sind nur einige der vielen Themenfelder und Technologien, die den Markt für Nutzfahrzeuge in Bewegung versetzen. Die Branche war bisher von sehr langen Produktlebenszyklen und stabilen Kundenwünschen geprägt. Heute führen aber immer kürzere Lebenszyklen und sich wandelnde Kundenwünsche zu einem zunehmenden Veränderungsdruck. Um dem entgegenzuwirken, widmen sich die Hersteller zunehmend der Digitalisierung ihrer Leistungsportfolios.
Die MAN Truck & Bus AG (MTB) reagierte auf den Veränderungsdruck im August 2014 mit der Gründung des Experience-Laboratory, kurz „X-Lab“, einem Innovationslabor, in dem möglichst entkoppelt von der etablierten Mutterorganisation digitale Lösungen entstehen. Solch eine „interne Ausgründung“ ist ein bewährtes Muster, um innerhalb eines etablierten Unternehmens den ersten Schritt in Richtung der digitalen Transformation zu gehen. MTB konnte dadurch zielgerichtet und in kurzer Zeit nicht nur als „Fast Follower“ den Anschluss an wichtige Entwicklungen gewinnen, sondern als „Pace Maker“ eigene visionäre Konzepte entwickeln und umsetzen.
Dabei stand die MTB vor der großen Herausforderung, neue, agile Arbeitsweisen zu erlernen und zu etablieren sowie den Brückenschlag zwischen dieser agilen Arbeitsweise im „X-Lab“ und dem klassischen Projektmanagement in der MTB-Mutterorganisation herzustellen. Dieser Case beschreibt die wichtigsten Erfolgselemente, mit denen sich das „X-Lab“-Team gemeinsam mit der 3DSE dieser und weiteren Herausforderungen erfolgreich gestellt hat.
Ideenfindung und agile Umsetzung im „X-Lab“
Das initiale Ziel bei der Gründung des „X-Lab“ im August 2014 war die Bewertung der Auswirkung der digitalen Transformation auf das Geschäftsmodell der MTB bis Ende desselben Jahres.
In der ersten sogenannten „Ideation-Phase“ wurden zunächst zukunftsweisende Produktideen generiert, um auszuloten, wo die Reise für die MTB in der Digitalisierung ihrer Produkte hingehen muss. Als zielführendes Format setzte MTB dafür die Innovation Cell ein, in der mit einem verhaltensorientierten Ansatz innerhalb von 2 Wochen fast 40 innovative, digitale Produkt- und Serviceideen entstanden.
Ende 2014 wurden die Ergebnisse der ersten Phase dem Management vorgestellt und haben durchgängig für eine sehr hohe Akzeptanz des neuen „X-Lab“ gesorgt. Aufgrund dieses Erfolgs startete MTB eine zweite Phase, in der es darum ging, die Top-Ideen aus der Innovation Cell erlebbar zu machen.
Hier zeigte sich ein erster Change im Mindset der Entscheidungsträger, weg von einer langfristigen Planung, hin zu einem agilen, iterativen Vorgehen, bei dem sich die Erarbeitung von Ergebnissen, deren Bewertung und die Freigabe weiterer Ressourcen abwechselte. So resultierte letztlich ein Vorgehen in drei Phasen, welches in Abbildung 1 dargestellt ist.
In den Phasen II–III wurden die in der ersten Phase entstandenen Ideen evaluiert, die besten 10 Ideen, wie z. B. der „Digital Key“ als „Show Cases“ priorisiert und anschließend mithilfe agiler Entwicklungsmethoden sowie externer Unterstützung in Sprints umgesetzt. Die wesentlichen Entscheidungskriterien für die Priorisierung waren das ermittelte Erfolgspotenzial und der zu erwartende Kundenmehrwert. So stellte MTB sicher, die verfügbaren Ressourcen auf diejenigen Themen zu konzentrieren, welche die größten Erfolgsaussichten haben. Über das kontinuierliche Planen, Entwickeln, Prototyping und Pilotieren in kurzen Sprints sowie durch die enge Einbindung der Kunden wurde die Reife der umzusetzenden Lösungen Schritt für Schritt erhöht.
Eine dieser erfolgversprechenden Produktideen, die das „X-Lab“-Team pünktlich zur IAA 2016 prototypisch realisiert hat, ist der „Digital Key“. Dieser ermöglicht es jeglichem Fahrer, sein Smartphone als Fahrzeugschlüssel zu verwenden. Damit kann er den ihm zugeteilten LKW nicht nur standortunabhängig aufschließen, sondern er erhält im Vorfeld auch zusätzliche Informationen zu Standort, Fahrzeugstatus, Auftrag und Route vom Disponenten.
Gegen Ende von Phase II hatte das Thema „Agile und digitale Transformation“ so viel Akzeptanz im Unternehmen gewonnen, dass MTB einen neuen Zentralbereich gründete, der sich zunehmend mit dem Thema „Digitalisierung der logistischen Wertschöpfungskette“ beschäftigen sollte. Daraus wurde im ersten Schritt die neue Marke RIO gegründet, die nun als Digitalisierungsmarke der Volkswagen Truck & Bus-Gruppe fungiert.

Das „X-Lab“ nahm bei RIO die Rolle der digitalen Vorentwicklung mit folgenden Themenschwerpunkten ein:
- Organisationsentwicklung: Als „agiler Leuchtturm“ achtet das „X-Lab“ gemeinsam mit dem Management darauf, dass mit dem rasanten Wachstum der Organisation die agilen Werte nicht verwässern.
- Ideenbewertung: Egal wo eine Idee herkommt (Start-ups, Kunden, Mitarbeiter, Ideation-Workshops), das „X-Lab“-Team übernimmt sowohl die initiale Bewertung als auch die strukturierte schrittweise Weiterentwicklung von Ideen mit Potenzial.
- Portfolio: Alle Ideen mit Potenzial werden strukturiert in einem Portfolio visualisiert, um sicherzustellen, dass die Teams mit der erfolgversprechendsten Idee weitermachen.
- Agile Entwicklung: In zwei SCRUM-Teams werden die Ideen aus dem Portfolio schrittweise vom Showcase zum Prototypen und schließlich zum ersten Serienprodukt entwickelt und nach Abschluss der Pilotierung an die Serienorganisation übergeben.
- RIO-Accelerator: Um auch die Ideen von Start-ups für die Kunden der RIO-Plattform als Mehrwert anbieten zu können, werden Startups im Rahmen des Accelerators zum Plattform-Partner weiterentwickelt.

Phase III kennzeichnet die agile Entwicklung digitaler Produkte und Services für Logistiklösungen unter der neuen Marke RIO. Neben der herstellerunabhängigen Weiterentwicklung digitaler Services für die Logistikbranche durch RIO, hat MAN parallel eine digitale Einheit im Konzern gegründet, die sich mit der Weiterentwicklung der digitalen Dienste speziell in Bezug auf MAN Fahrzeuge beschäftigt.
Die vier zentralen Erfolgselemente, die letztendlich entscheidend waren, um die digitalen Produktideen agil zu entwickeln, und welche Rolle die 3DSE bei deren Realisierung gespielt hat, wird nachfolgend beschrieben.
Zentrale Erfolgselemente für die Zielerreichung des „X-Lab“
Für die Erfolgsgeschichte „X-Lab“ waren vier Stellhebel entscheidend:
- Geschwindigkeit aufnehmen
- Auf den Kunden fokussieren
- Brücke zur klassischen Organisation schlagen
- Agile und digitale Kultur und Kompetenzen entwickeln
Gemeinsam mit der 3DSE implementierte das „X-Lab“-Team nachfolgend beschriebene Methoden und Ansätze, um diese Stellhebel zu bedienen.
Geschwindigkeit aufnehmen
Zunehmend kürzere Lebenszyklen bei Nutzfahrzeugen, neue digitale Technologien im Logistikbereich und die immer wichtigere Kombination aus Software- und Hardwareentwicklung setzen etablierte OEMs unter Druck. Sie müssen immer schneller, innovative Produktlösungen auf den Markt bringen, um nicht wertvolle Marktanteile an Wettbewerber oder neue Player zu verlieren. Mit folgenden Instrumenten haben das „X-Lab“ und 3DSE Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Features aufgebaut.
Innovation Cells generieren viele Breakthrough-Ideen in kürzester Zeit
Ein Instrument der 3DSE, um in einer kurzen Zeit möglichst viele innovative Lösungen zu generieren, ist die Innovation Cell. Das 8-tägige Format bedient sich verhaltensorientierter Ansätze, um die Kreativität der Teilnehmer zu stimulieren und zu lenken. Die initiale Innovation Cell zum Start des „X-Lab“ wurde von einem Partner der 3DSE, Phasix, durchgeführt. Dort wurden um die 40 Use Cases und Lösungsideen entwickelt, die der Input für die agile Entwicklung in Phase II und III waren.
SCRUM bietet ein bewährtes Methodenset zur agilen Produktentwicklung
Um die Herausforderung zu meistern, in kurzer Zeit innovative Produkte mit einem hohen SW-Anteil interdisziplinär zu entwickeln, hat die 3DSE das „X-Lab“ dabei unterstützt, einen SCRUM-Ansatz nach reiner Lehre zu implementieren. Die 3DSE agierte als SCRUM-Coach, um das agile Mindset und die Anwendung der agilen Methoden und Praktiken bei den beteiligten Rollen sicherzustellen, z. B. durch entsprechende Team-Trainings. Abbildung 3 zeigt das agile Set-up des „X-Lab“.
Das „X-Lab“ verfügt über zwei Entwicklungsteams, die von einem gemeinsamen Scrum Master betreut werden. Die Kompetenzträger in den Entwicklungsteams können je nach Bedarf zwischen den Teams springen, wenn ihre Expertise für einen Sprint in dem anderen Team benötigt wird. Je Team gibt es einen Product Owner, der im ersten Schritt die Vision für das Produkt oder den Service entwickelt und das Product Backlog sowohl initial aufsetzt, als auch im Weiteren dafür verantwortlich ist. Der Product Owner ist außerdem der Hauptverantwortliche und Treiber seines Produktes in der Organisation und hat auch die Aufgabe des Stakeholder-Managements. Ein Chief Product Owner behält den Gesamtüberblick über die Backlogs und Use Cases und stellt deren Stimmigkeit zur Portfoliostrategie des „X-Lab“ sicher. Er entscheidet, was die nächstbeste Idee ist, mit der das jeweilige Team weitermachen sollte. Darüber hinaus hält er jegliche politischen und hierarchischen Themen von den Arbeitsteams fern. Ein weiteres Ziel im „X-Lab“ war es, die internen Kompetenzen zur agilen Arbeitsweise sukzessive so auszubauen, dass die Anzahl der beauftragten Dienstleister in den Teams reduziert werden konnte. Zudem hat die 3DSE auch „klassische“ SCRUM-Master-Aufgaben wahrgenommen, um die notwendigen Rahmenbedingungen für das agile Arbeiten der Entwicklungsteams zu schaffen, wie z. B. die Organisation der Sprint-Wechsel und -Reviews.

Rapid Prototyping und Beta-User-Einbindung sparen wertvolle Zeit durch direktes Kundenfeedback
Ein wichtiger Aspekt der durch die 3DSE begleiteten, agilen Produktentwicklung war das frühzeitige Integrieren und Testen der entstehenden Produktlösungen mit internen und externen Kunden als Beta User. Deswegen war das „X-Lab“ mit einer eigenen Garage ausgestattet. Dort konnten die Mitarbeiter die in ihren Teams entwickelten Produkte jederzeit an realen Nutzfahrzeugen testen, externe und interne Kunden in die Tests einbinden und so wichtige Erkenntnisse für Verbesserungen, insbesondere der Usability gewinnen.

Auf den Kunden fokussieren
Ein für das „X-Lab“ besonders wichtiger Erfolgsfaktor ist die starke Kundenintegration. Latente Kundenbedürfnisse frühzeitig zu identifizieren und in kundenbegeisternde Lösungen umzumünzen, ist eine zentrale Herausforderung im Wettrennen um die Marktführerschaft bei Digital Services. Diese meisterte das „X-Lab“-Team mithilfe der 3DSE durch die kontinuierliche und konsequente Integration des Kunden in den agilen Prozess.
Customer Journeys machen das Produkt schon auf dem Papier erlebbar
Ein entscheidender Faktor der agilen Produktentwicklung ist es, die Bedürfnisse des Kunden so früh wie möglich erlebbar zu machen. In Customer Journeys visualisierte das „X-Lab“-Team die verschiedenen Kontaktpunkte bzw. Use Cases des Kunden mit der Produktidee. An einzelnen, hinsichtlich der Differenzierung am Markt wichtigen Wegpunkten detaillierte das Team die Customer Journeys zum besseren Verständnis weiter aus. Ein solches Format bietet dem Entwickler die Möglichkeit, sich besser in den Kunden und dessen Nutzungsverhalten hineinzuversetzen, um so bei der Lösungsentwicklung keine wichtige Funktion oder Eigenschaft zu vergessen. Außerdem lassen sich auf Basis einer solchen visuellen Darstellung die Anwendungsfälle viel besser mit dem Kunden diskutieren als z. B. anhand eines formalen Lastenhefts. Abbildung 4 zeigt die Customer Journey am Beispiel der Produktidee des „Digital Keys“.
Customer Panels und Sprint Reviews binden den Kunden systematisch in den Prozess ein
Regelmäßige, von der 3DSE organisierte Kundenbesuche im „X-Lab“ waren über sogenannte Customer Panels ein integraler Bestandteil des Entwicklungs- und Kommunikationskonzeptes und wurden im späteren Verlauf fest in den agilen Arbeitsprozess in Form von Sprint Reviews integriert. Ausgewählte interne und externe Kunden hatten dort die Möglichkeit, den aktuellen Entwicklungsstand des jeweiligen Produktes schon früh direkt am Fahrzeug zu erleben. Darüber hinaus konnten sie ihre Einschätzung zum Kundenmehrwert und zu ihrer individuellen Kaufbereitschaft abgeben. Die 3DSE hat neben der Vorbereitung und Organisation dieser Events auch die Kundenrückmeldungen in Form eines Kundenfeedback-Backlogs aufbereitet und dem „X-Lab“ für das Backlog Refinement bereitgestellt. Solch regelmäßige Reviews mit Key-Stakeholdern ermöglichten die Diskussion der eingeschlagenen Richtung sowie des aktuellen Fortschritts und generierten wichtige Lessons Learned für den nächsten Sprint.
Brücke zur klassischen Organisation schlagen
Ein Schlüssel für den Wandel zu einem Verständnis der agilen Vorgehensweisen war das hochwertige Stakeholder-Management mit erheblicher Unterstützung durch die 3DSE. Sowohl die MAN Vorstände als auch einige Vorstandsmitglieder von Volkswagen waren mehrfach zu Besuch und sehr begeistert von der sichtlich anderen Arbeitsweise und der Geschwindigkeit, in der die Ideen Gestalt annahmen.
Das „X-Lab“ sollte zwar als möglichst unabhängige Organisationseinheit arbeiten können, war aber dennoch abhängig von einem Sponsorenkreis aus der Mutterorganisation. Die Sponsoren, hochrangige MTB Führungskräfte, stellten dem Lab u. a. Experten aus ihren Reihen zur Verfügung. Deshalb bestand die Erwartungshaltung an das „X-Lab“, den internen Sponsoren regelmäßig Bericht über die Fortschritte zu erstatten. Das Einbinden in eben genannte Customer Panels und Sprint Reviews hielt die Sponsoren ohne zusätzlichen Aufwand auf dem Laufenden und machte die Ergebnisse darüber hinaus greifbarer. Zusätzlich implementierte 3DSE nachfolgende Projektmanagement-Instrumente, um eine Brücke zwischen klassischer und agiler Projektorganisation zu bauen.

Kommunikationskonzepte stellen eine zielgruppengerechte Information und Einbindung sicher
Das von 3DSE auf Basis der Stakeholder-Analyse ausgearbeitete Kommunikationskonzept hatte zum Ziel, die Bindung der Stakeholder zum „X-Lab“ phasenweise zu erhöhen. Ging es in der ersten Phase darum, Aufmerksamkeit auf die noch frischen Aktivitäten des „X-Lab“ zu lenken, wurden in den weiteren Phasen die relevanten Stakeholder kontinuierlich und verstärkt in die „X-Lab“-Welt einbezogen. Dadurch holte sich das „X-Lab“ einerseits wichtige Impulse aus der Organisation ein und machte Betroffene zu Beteiligten. Andererseits erzeugte die offene Kommunikation Vertrauen in die „in der Garage“ erarbeiteten Ergebnisse über die „X-Lab“-Grenzen hinaus. Abbildung 5 zeigt eine Übersicht der von der 3DSE konzipierten Kommunikationsmaßnahmen, wie z. B. den „X-Lab“ Kickoff-Film oder den „X-Lab“ Day.
Risikoanalysen fördern das Vertrauen in das agile Arbeiten
Ein weiteres von der 3DSE eingeführtes Instrument, um das Vertrauen gegenüber der „klassisch“ gesteuerten Mutterorganisation herzustellen, war ein systematisches Risikomanagement. Auch hier konnte die 3DSE ihre Expertise im Projektmanagement ausspielen. Mit dem aufgesetzten Risikomanagement wurden Risiken erkannt, analysiert und entsprechende Maßnahmen erarbeitet, welche wiederum in die agile Abarbeitung in den Sprints einflossen.
Agile KPIs machen „agilen Projektfortschritt“ auch für „klassische Projektmanager“ messbar
Im Berichtswesen konnte die 3DSE den Brückenschlag zwischen der „neuen digitalen“ und der „alten analogen“ Welt durch die Konzipierung agiler KPIs vorantreiben. Konkret hat die 3DSE dabei unterstützt, das passende Verhältnis zwischen klassischen und agilen KPIs zu finden und diese über ein pragmatisches und transparentes Reporting zu realisieren. Außerdem wurden Berichtsstrukturen reduziert und die verbliebenen Berichte genutzt, um den Fokus auf Tätigkeiten zu richten, die einen direkten Kundenmehrwert schaffen. Ein Beispiel für einen agilen KPI war die Team Velocity je Sprint. Diese misst die Anzahl der Story Points, die von einem Team je Sprint abgearbeitet werden. Über mehrere Sprints betrachtet und mit anderen Metriken kombiniert, kann dieser KPI ein Indikator für die Leistungsfähigkeit eines Teams sein.
Visual Management sorgt für Transparenz und minimalen Berichtsaufwand
Um die Aufwände für das klassische Reporting weiter zu minimieren, hat die 3DSE einen agilen Oobeya-Raum gestaltet. Dieser „große Raum“ informierte alle Besucher des „X-Lab“ zu jedem Zeitpunkt schnell über das Vorgehen und aktuelle KPI sowie Ergebnisse. Das motivierte auch das Top-Management im Sinne „Go to Gemba“, sich direkt vor Ort über den aktuellen Stand zu informieren, anstatt auf formale Berichtswege zu bestehen. Das Oobeya-Konzept hielt den Pflegeaufwand möglichst gering. Auch hier galt das Prinzip, Tätigkeiten zu vermeiden, die keinen direkten Kundenmehrwert generieren.
Agiles Lieferantenmanagement bindet klassisch beauftragte Dienstleister in agile Prozesse ein
Um klassisch beauftragte Dienstleister in einem agilen Arbeitsumfeld zu managen, hat die 3DSE ein entsprechendes Konzept und Instrument für die agile Lieferantensteuerung entwickelt. So waren die Dienstleister zu Beginn der Phase II noch klassisch über eine Ausschreibung mit Lastenheft beauftragt worden. Dies erwies sich im weiteren Verlauf als nachteilig, da sich durch das kontinuierliche Backlog Refinement die Arbeitsinhalte ständig wandelten. Dadurch ging der Bezug zu der ursprünglichen Tätigkeitsbeschreibung im Lastenheft sehr schnell verloren. Das Instrument der 3DSE ermöglichte es dem „X-Lab“, die in den Sprints durch die beauftragten Dienstleister erbrachten Leistungen mit den über die Gewerke vereinbarten Aufwänden abzugleichen und zu tracken.
Agile und digitale Kultur und Kompetenzen entwickeln
Um das Erfolgsmodell „X-Lab“ zum Leben zu erwecken, bedurfte es auch der richtigen Schlüsselkompetenzen und des richtigen Mindsets. Dabei galt wie so oft: „Die Mischung macht’s.“. Das Team des „X-Lab“ bestand aus jungen Wilden, kreativen Köpfen, erfahrenen Führungskräften mit starken Visionen und hoher Affinität zur digitalen Welt. Partnerschaften mit Start-ups halfen dabei, „digitale Kompetenzen“ in die Entwicklung einzubringen und wichtige Impulse für ein neues Mindset zu setzen. Die Beratungsleistung durch die 3DSE sorgte darüber hinaus für den Schulterschluss mit der klassischen Entwicklungsorganisation und setzte gleichzeitig wichtige Impulse bei der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen für das agile Arbeiten.
Start-up-Kultur zur Schaffung des notwendigen Spirits in der Mannschaft
Den Aufbau der notwendigen Kultur hat die 3DSE unterstützt, indem sie als wichtiger Multiplikator den agilen Mindset verbreitet und in die entwickelten PM-Instrumente integriert hat. Die 3DSE hat bei der Konzeption der PM-Tools, wie zum Beispiel dem agilen Oobeya, die Start-up-Mentalität erfolgreich aufgegriffen und die „X-Lab“-Mitarbeiter über Avatare auf einer „Team Wall“ integriert. Jeder Mitarbeiter im Oobeya hatte seinen eigenen Steckbrief, auf dem seine Hobbys, unnütze Talente und auch sein Lieblingsessen dokumentiert waren. Diese Steckbriefe wurden dann im Flur sichtbar für alle Mitarbeiter auch außerhalb des „X-Lab“ platziert, um das Vertrauensverhältnis untereinander und die offene Kultur zu stärken. Neben der agilen Arbeitsweise und dem obligatorischen Kicker-Tisch unterstützten auch Bausteine, wie zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit, flexible Kernarbeitszeiten, Mobilarbeit oder auch die persönliche Auswahl des Arbeitsmaterials, den kulturellen Wandel.
Start-up Scouting und Integration, um fehlende eigene „digitale Kompetenzen“ auszugleichen
Zum effektiven Aufbau von Partnerschaften mit Start-ups hat die 3DSE mit dem „X-Lab“ Parameter für deren Bewertung erarbeitet und bei der Erarbeitung eines Partnerschafts- und IP-Konzepts unterstützt. Im Rahmen der kritischen Überprüfung der Use Cases kristallisierte sich heraus, dass das „X-Lab“ bei einzelnen Themen stark von Partnerschaften mit externen Start-ups profitieren kann. Durch das Aufstellen einer übergeordneten Portfoliostrategie war es möglich, einzelne strategische Themen für eine gezielte Suche zu identifizieren. Ein „X-Lab“-interner Scout betreute dabei mit der Unterstützung der 3DSE den kompletten Prozess: vom Scouting über die Erstauswahl, basierend auf ausgearbeiteten Parametern, bis hin zur Partnerschaft über ein sogenanntes „Accelerator Program“. Ziel des Programmes war es, die gemeinsame Partnerschaft zu einem schnellen Zwischenergebnis zu führen. Auf der Basis dieses Zwischenergebnisses konnte entschieden werden, ob die Partnerschaft weitergeführt und intensiviert wird. So fanden sich im Rahmen des Programms beispielsweise einige Start-ups, die mit ihrer Geschäftsidee und der darin enthaltenen Technologie den „Digital Key“ ideal ergänzten.
Lessons Learned aus dem „X-Lab“ als Eisbrecher für die digitale Transformation
Die 3DSE hat mit ihrer Expertise im klassischen und agilen Projektmanagement maßgeblich zum Erfolg des „X-Lab“ beigetragen und MTB einen großen Schritt in Richtung der agilen und digitalen Transformation weitergebracht. Heute arbeiten 135 Leute in einer neuen Organisationseinheit nach völlig neuen Prinzipien an der Digitalisierung der Logistikbranche.
Neben der Erreichung einer hohen Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Produktideen, der frühzeitigen und häufigen Einbindung des Kunden in den Entwicklungsprozess sowie der Etablierung einer agilen und digitalen Kultur war das Schlagen der Brücke zwischen agilem und klassischem Projektmanagement ein entscheidender Erfolgsfaktor. Der Erfolg des „X-Lab“ hat auch gezeigt, dass die enge Verzahnung einer digitalen mit einer agilen Transformation eine erfolgversprechende Kombination ist.
Eine agile Produktentwicklung bedeutet in vielerlei Hinsicht eine Abkehr von über lange Zeit manifestierten Prinzipien in der Steuerung von Projekten und Mitarbeitern. Die 3DSE hat geholfen, diese Prinzipien teilweise aufzubrechen und durch neue agilere Denkansätze zu ersetzen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass meistens Kompromisslösungen für eine inkrementelle „Agilisierung“ seitens des Top-Managements bevorzugt werden. Das liegt unter anderem daran, dass sich das bisherige Denken und Handeln schon tief in den unternehmerischen Prozessen entlang der gesamten Wertschöpfungskette verankert hat. Radikale Umbrüche sind somit kaum möglich, ohne die Stabilität des gesamten Systems zu gefährden. Deswegen ist es wichtig, die digitale Transformation sowie die Implementierung agiler Arbeitsweisen systematisch und schrittweise voranzutreiben, ohne die Mutigen in der Organisation zu sehr einzubremsen und die Zurückhaltenden letztlich abzuhängen. Dass sich die Gründung des „X-Lab“ im Konzernkontext als Vorzeigeprojekt erweist, zeigt auch eine Studie der Zeitschrift Capital, denn dort wurde das „X-Lab“ unter eines der drei besten Innovations-Labs in Deutschland gewählt.
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